Über Thomas Hobbes’ „Leviathan “

Über Thomas Hobbes Leviathan – Bedeutung des Staatswesens

Thomas Hobbes’ Opus Magnum „Leviathan“ gehört ohne Zweifel zu den herausragenden Werken innerhalb der Geschichte der politischen Theorie. Das Werk erschien bereits im Jahre 1651 und markiert den Beginn des neuzeitlichen Verständnisses von Staat und Souveränität.

Weshalb nannte Hobbes sein Werk ausgerechnet nach dem biblischen Seeungeheuer Leviathan?

Bekannter als der Inhalt des Buches ist wahrscheinlich sogar sein Umschlag, welcher bereits die Erstausgabe von 1651 zierte. Ein riesengroßer Leviathan (Meeresgott) im Kupferstich gefertigt. Wer diesen ausführte ist bis heute übrigends nicht geklärt worden.

Der Leviathan – Nicht zufällig als Symbol gewählt

Wenn man davon ausgeht, dass Hobbes sowohl den Namen als auch die Gestalt dieses Wesens mit Bedacht gewählt hat, dann sollte eine Untersuchung des Leviathans zum Verständnis dessen beitragen, wofür er steht – also zum Verständnis des Staates, so wie ihn Hobbes konzipiert hat.

Bild

Der Leviathan lässt sich im wörtlichen Sinne auch als Staats-Wesen verstehen, also als das Wesen, welches den Staat verkörpert. Ein anatomisches Studium des Staats-Wesens Leviathan sollte folglich Aufschluss über die Verfasstheit des Staatswesens im politischen Sinne geben. Die Wissenschaft befasst sich mit der Form, dem Aufbau und Struktur der Lebewesen. Und indem sie, das Wesen aufschlüsselt, gelangt sie von der blossen Form zur Funktion. Die Gestalt des Leviathans – beziehungsweise die Symbolik seiner äusseren Form repräsentieren bereits die zentralen Funktionen des Staates. In dieser Eigenschaft korrespondiert das Bild mit dem Text. Es ergänzt diesen sogar noch um weitere Funktionen.

Wofür steht der Leviathan?

Der Leviathan erfüllt nämlich zusätzliche Funktionen, welche jenseits der rationalen Argumentation des Textes liegen.

Der Staat als ein Zusammenschluss von Menschen ist nichts anderes als ein großer gewaltiger Organismus.

Hobbes nimmt den Maschinenmenschen und den Staatsorganismus  vorweg, indem er den Leviathan, den Staat, einerseits als organischen Mensch darstellt und anderseits als technische Maschine beschreibt. Der Leviathan ist aber noch mehr als ein künstlicher Mensch und eine komplizierte Maschine. Er ist auch eine Art Gott. Im 17. Kapitel, wo Hobbes den eingangs beschriebenen Vertragsschluss darstellt, heisst es, dieser Akt sei die Erzeugung jenes grossen Leviathan.

Die Idee des Staates als riesiger Organismus ist nicht neu, sie gründet in den anthropomorphen Staatstheorien des zwölften Jahrhunderts. Hobbes’ Bild des Leviathan verweist damit bereits auf die Idee des Staates, wie man sie beispielsweise im 19. Jahrhundert bei Herbert Spencer wieder findet. (als funktionaler Organismus)

Weil Spencer kategorial zwischen natürlich Gewachsenem und künstlich Erzeugtem unterscheidet, kommt er jedoch gerade zum Umgekehrten Schluss wie Hobbes: Eine Gesellschaft kann nicht willentlich erzeugt werden, sondern sie muss zu einem Organismus heranwachsen.

Verständnis des Leviathan

Die Formel des sterblichen Gottes ist ein Schlüssel zum Verständnis des Leviathans. Indem Hobbes den Leviathan einen Gott nennt, verleiht er ihm die Aura des Unantastbaren, des Allmächtigen. Er macht klar, dass man es sich mit ihm nicht verscherzen darf. Die Ausschliesslichkeit und Unwiderstehlichkeit seiner Macht wird durch das Zitat aus dem Buch Hiob untermauert, beziehungsweise überschrieben, steht es doch als Titel über dem Frontispiz: non est potestas super terram quae comparetur ei. „Auf Erden gibt es also nichts und niemanden, der sich kräftemässig mit dem Leviathan messen könnte.“

Dieses Kriterium muss die staatlich monopolisierte Zwangsgewalt erfüllen, wenn sie dem kriegerischen Naturzustand ein Ende setzten will. Frieden ist ihr Zweck, Macht ihr Mittel. Im Streitfall muss das Schwert des Leviathans immer das letzte Wort haben, denn, wie Hobbes sagt, Verträge ohne das Schwert sind blosse Worte.

Der Leviathan als Richter

Im 28. Kapitel beschreibt Hobbes den Leviathan eingehend als Richter, der straft oder belohnt. Seine ultimative Macht erhebt den Leviathan über die Menschen. – Aber doch nicht ganz auf die Stufe von Gott. Im  Gegensatz zum ›richtigen‹ Gott bleibt der Leviathan sterblich. Seine Sterblichkeit ist die Konsequenz seiner artifiziellen Natur. Der Leviathan wird von Menschen zu einem bestimmten Zweck geschaffen, nämlich den Frieden zu sichern. Erfüllt er diese Funktion nicht, dann existiert er per definitionem auch nicht. Zusammengefasst:

Die Illustration auf dem Frontispiz nimmt genau die drei Charakterisierungen auf, die man mehr oder weniger explizit im Text findet: Mensch, Maschine, Gott. Der Leviathan hat Menschengestalt, und er wird von Menschen geformt. Die Darstellung seiner Funktionen zeigt an, dass er, einer Maschine gleich, die gesellschaftlichen Güter Ordnung und Frieden produziert. Und seine Riesenhaftigkeit, die Art, wie er über das Land wacht und  in den Himmel ragt, verleiht ihm die Aura eines Gottes. Die Gestalt des Leviathans korrespondiert so weit perfekt mit den Argumenten des Textes.

Schlagwörter:

Hinterlasse einen Kommentar